Die Frage, ob eine Sedierung für die Behandlung wirklich nötig ist, kommt immer wieder auf, auch weil einige Behandler mit einer scheinbar besonders schonenden Zahnbehandlung ohne Sedierung werben.
Hierzu sei folgendes gesagt:
- allein eine detaillierte und vollständige Untersuchung der Maulhöhle ist ohne Sedation nicht möglich, dafür mich nicht nur offensichtliche Befunde wichtig sind, sondern auch die Feinstruktur der Zähne alle erfasst und beurteilt werden müssen.
- Die Sicherheit von Mensch und Tier steht für mich selbstverständlich an oberster Stelle. Und hier gilt: Eine Zahnbehandlung ohne Sedation ist auch für das Tier weitaus gefährlicher als eine, die unter Sedation durch einen hierbei erfahrenen Tierarzt vorgenommen wird.
- nicht zuletzt: eine Behandlung unter Sedierung bedeutet für den Patienten weitaus weniger Stress.
Das ein Pferd im allgemeinen Umgang brav ist, ist im Übrigen kein Argument gegen eine Sedation. Auch viele Menschen sind beim Zahnarzt angespannt und reagieren mit ungewollten Ausweichbewegungen.
Beim Tier, für das die Behandlung immer ungewohnt ist, sind entsprechende Reaktionen da nur verständlich.
© mit freundlicher Genehmigung von Lisa Miller https://www.pferdezaehne-miller.de
Bevor der Mensch mit dem Pferd in Kontakt trat, lebte das Pferd als Steppentier auf weiten Flächen und war 16 bis 18 Stunden täglich mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt.
Das harte Steppengras, der beiläufig aufgenommene Sand sowie das abnagen von Zweigen und Baumrinde führten zu einer natürlichen Balance und Abnutzung von Schneide- und Backenzähne.
Heute leben unsere Pferde zum Großteil in Boxen und haben oft nur kleine Ausläufe oder begrenzte Weiden zur Verfügung.
Weiches Gras, Silage sowie weiches kurzes Heu und vor allem der Einsatz heutiger Futtermittel wie zum Beispiel Hafer, Gerste Mais oder Müsli etc. haben einen veränderten bzw. reduzierten Kauausschlag zur Folge (Bildung von scharfen Kanten und Haken).
Durch diese verminderte, unphysiologische Abnutzung entstehen im Backenzahnbereich Schärfen, Kanten, Rampen und Haken. Aufgrund der veränderten Lebens- und Fütterungsbedingungen haben die Schneidezähne keine oder nur sehr geringe Abnutzung und werden daher zu lang.
Zähne dienen der Vorverdauung und haben die Aufgabe, angebotene Futtermittel so zu zerkleinern, dass die Folgeorgane alle notwendigen Vitamine und Mineralien etc. aufschließen können.
Ist ein Ungleichgewicht im Zahnbereich entstanden, kann dies viele, teils schwerwiegende Folgen haben:
- Schlechter Allgemeinzustand
- Müdigkeit
- Durchfall
- Fressunlust/verändertes Fressverhalten
- einseitiger, stinkender Nasenausfluss
- Koliken
- Schlundverstopfungen
- Kopfscheue
- stinkender Atem
- Schmerzen im Kiefergelenk
Auch aus reiterlicher Sicht sind Zahnprobleme zu erkennen:
- Kopfschlagen
- Steigen
- Probleme beim Hand- und Galloppwechsel
- Fehlender Schwung
- Wehren gegen das Gebiss
- Probleme beim Auftrensen
- Rückenprobleme
Bereits die Berundung einiger Zahnkanten bewirkt häufig eine deutliche Verbesserung im Wohlbefinden des Pferdes, da ihm durch diese Maßnahme ein Teil seiner Beschwerden genommen wird.
In den meisten Fällen ist dies allerdings nicht ausreichend.
Deshalb muss auch in Deutschland zum Wohle unserer Pferde, eine Qualität der Zahnbehandlungen erreicht werden, welche die Balance des Pferdemauls unter dem Aspekt der anatomischen Funktionalität berücksichtigt. Besonders die Wiederherstellung einer korrekten Kautätigkeit zur Gesunderhaltung des gesamten Gebisses und Organismus muss erlangt werden.
Zum besseren Verständnis für den Laien kann die Situation im Pferdemaul mit der an den Hufen verglichen werden. Wenn diese nicht regelmäßig korrekt bearbeitet werden, entsteht eine fehlerhafte Abnutzung und der Bewegungsablauf gerät aus dem Gleichgewicht. Längerfristig resultieren daraus zwangsläufig Fehlstellungen und Lahmheiten. Um dies zu verhindern, gehört die regelmäßige Korrektur durch den Schmied oder Hufpfleger zur selbstverständlichen Pferdepflege.
Fehlende oder unsachgemäß durchgeführte Zahnbehandlungen führen zu fehlerhafter Abnutzung der Zähne, so dass der Kauvorgang des Pferdes nicht mehr korrekt ablaufen kann. Nachfolgend können erhebliche Schäden im ganzen Organismus entstehen. Auch vorzeitiger Zahnverlust ist eine mögliche Konsequenz. Eine 1-2 mal jährlich durchzuführende, kompetente Pferdezahnkontrolle mit entsprechender Behandlung sollte das verhindern. Eine gute Ausbildung, die das gesamte Pferdegebiss, seine Funktion, sowie die Auswirkungen auf den gesamten Pferdeorganismus (z.B. Verdauung, Verwertung des Futters, Rittigkeit) einschließt, wurde hier in Deutschland nur bis 1940 angeboten.
Die Grundlagen der Pferdezahnpflege wurden lange vor dem 2. Weltkrieg von Dr. Becker an der Universität Hannover entwickelt und gelehrt. Wahrscheinlich ging dieses Wissen durch die Kriegswirren verloren und wird heute an unseren Universitäten nur noch bruchstückhaft vermittelt. Die Qualität der Pferdezahnpflege in Deutschland steht weltweit auf einem der letzten Plätze. Die IGFP hat es sich seit ihrem Bestehen seit 2001 erfolgreich zur Aufgabe gemacht, dem Stiefkinddasein "Zahnbehandlung in der Pferdemedizin" entgegen zu wirken und die Wichtigkeit qualifizierter Pferdezahnbehandlungen sowohl in der Wissenschaft als auch bei Pferdebesitzern mehr in den Fokus zu bringen.
Jahrelang konnte eine "Spezialisierung auf Zahnbehandlungen beim Pferd" in ein bis zwei Wochenendseminaren erlernt werden.
Die IGFP ist der Auffassung, dass eine solche Ausbildung keinesfalls ausreicht.
Pferdedentalpraktiker, die das Logo der IGFP tragen dürfen, haben durch theoretische und praktische Prüfungen bewiesen, dass sie eine fundierte und qualitativ hochwertige Ausbildung über viele Wochen mit Erfolg abgeschlossen haben.
Diese Ausbildung findet meist an speziellen Ausbildungsstätten, wie z.B. der in Deutschland vorkommenden "Horse Dental School" oder die in den USA bestehenden Schulen wie z.B. die „Academy of Equine Dentistry” (Idaho) oder „American School of Equine Dentistry” statt. Die zukünftigen Pferdedentalpraktiker der IGFP können auch bei erfahrenen spezialisierten geprüften KollegInnen*der IGFP, oder bei SpezialistInnen* wie Louis Pequin in Kanada, in die “Lehre” gehen.
Die Pferdezahnpflege in Deutschland muss wieder einen Qualitätsstandard erreichen, der der Gesundheit und Rittigkeit unserer Pferde dient.
Die IGFP hat sich in ihrer Satzung dieses Ziel gesetzt. Die hier auf der Webseite gelisteten Mitglieder unseres Vereins haben sich einer freiwilligen Prüfung unterzogen, welche den Qualitätsanspruch ihrer Arbeit verdeutlichen soll und dem amerikanischen und kanadischen Standard entsprechen.
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